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Openleaks: Wettkampf um Whistleblower

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Openleaks geht in den Testbetrieb, die taz und der Freitag sind dabei. Doch auf der neuen Leaking-Plattform müssen sie mit NGOs um vertrauliche Informationen konkurrieren. Müssen sich die Medien von ihrem Exklusivitätsanspruch verabschieden, wenn sie im digitalen Wettkampf um die Gunst der Whistleblower mithalten wollen?

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Angekündigt war das Projekt schon lange: Monatelang hat Wikileaks-Renegat Daniel Domscheit-Berg mit seinen Getreuen daran rumgewerkelt, nun lässt er die Öffentlichkeit auf seine Leaking-Plattform Openleaks los. Domscheit-Berg ruft im Interview mit dem Freitag, einem der Medien-Kooperationspartner, die Hacker zum Openleaks-Stresstest auf:  “Jeder der will, kann sich Openleaks fünf Tage lang ansehen und soll versuchen, die Plattform zu hacken, sie kaputt zu machen oder was auch immer.” Gelegenheit dazu soll es auf http://leaks.taz.de/ geben (ich bin selbst bislang noch nicht auf die Seite gekommen, vielleicht waren die Hacker ja schon erfolgreich...) UPDATE, 12.08.: Inzwischen ist die Seite online und so sieht’s aus:

 

Die Openleaks-Seite der taz

Die Openleaks-Seite der taz

Domscheit-Berg hat immer wieder betont, dass es sich bei Openleaks um eine technische Dienstleistung handelt, die für eine sichere Datenübermittlung sorgt.  Selbst veröffentlicht Openleaks nichts, das ist dann den journalistischen Kooperationspartnern überlassen, namentlich die taz, der Freitag, die portugiesische Wochenzeitung Expresso und die dänische Tageszeitung Dagbladet Information. Wie das alles technisch funktioniert, beschreibt Netzpolitik.

Mir geht es an dieser Stelle um die Frage, was das für den (Online-)Journalismus bedeutet.

Missstände aufzudecken, ist nach wie vor die Aufgabe einer funktionierenden Presse, daran hat sich durch das Internet nichts geändert. Neu sind nur die Wege, die diese Informationen nehmen bzw. die die Informanten oder Whistleblower suchen. ”Der Journalismus ist angewiesen auf mehr oder weniger anonyme Tippgeber. Das Abzweigen von Dokumenten wird aber durch immer neue Überwachungstechniken in Unternehmen oder Behörden zunehmend erschwert. Mit Openleaks haben wir nun eine Möglichkeit, dem etwas entgegen zu setzen”, erklärt Rainer Metzger, stellvertretender taz-Chefredakteur, in seinem Kommentar “Der konstruktive Verrat” die Beweggründe, warum die alternative Zeitung Openleaks-Medienpartner der ersten Stunde ist.

Konkurrenz um Vertrauliches

In der mehrfach abgesicherten Anonymität sieht er das große Plus von Openleaks, denn: “Nicht jeder kann und will dieses Risiko eingehen, als Whistleblower an die Öffentlichkeit zu treten. Und nicht jeder potenzielle Tippgeber vertraut den Medien. Hier kann Openleaks helfen.” Nur: Wenn ein Tippgeber den klassischen Medien offline nicht vertraut, warum sollte er es dann online tun? Für die teilnehmenden Zeitungen wird es daher die größte Aufgabe sein, sich das Vertrauen von Whistleblowern zu erarbeiten, um überhaupt an vertrauliche Dokumente zu kommen. Denn Openleaks arbeitet nicht nur mit Medienpartnern, sondern auch mit NGOs, als erste ist Foodwatch mit am Start. Wenn ein Informant – um ein fiktives Beispiel zu nennen – Dateien oder Mails am Start hat, die belegen, dass ein Burgerfabrikant Fleisch von mit Chemikalien aufgepeppten Rindern verarbeitet, wird er sich eher an die namhafte NGO wenden, die über Kampagnen-Power verfügt, als an die Zeitung. Die Entscheidungshoheit, zu bestimmen, für welchen Partner eine bestimmte Information bestimmt ist, ist ein zentrales Element der Openleaks-Philosophie. Mit dem Anspruch der Medien, exklusive Scoops zu bringen, verträgt sich das kaum.

Natürlich wird es auch Informanten geben, die via Openleaks brisante Unterlagen direkt an Medien wie die taz lancieren. Dann ist die journalistische Sorgfaltspflicht gefragt. Rainer Metzger beschreibt das so:

Wir als Nachrichtenmedium sind dann in der Verantwortung, zu prüfen, was ein unzulässiger Verrat an Geschäftsgeheimnissen, ein lebensgefährdender Geheimnisverrat ist und was nicht; welche Informationen von gesellschaftlicher Relevanz sind und wo es um Denunziantentum geht, wo das Informationsrecht überwiegt und wo das Persönlichkeitsrecht Einzelner. Solche Prüfungen sind nötig, weil auch Enthüller checks and balances brauchen.

Wahre Worte, die anschaulich beschreiben, worin verantwortungsvoller Journalismus bestehen sollte. Das gilt aber unabhängig davon, ob die Informationen über eine Leaking-Plattform übermittelt werden oder auf konventionellem Weg. Die Frage ist also: Lohnt sich für Medien der Aufwand, sich bei Leaking-Plattformen wie Openleaks einzuklinken und mit NGOs und anderen Partnern um Aufmerksamkeit zu konkurrieren? Ist es sinnvoller, eine eigenen sicheren digitalen Briefkasten aufzumachen, wie das der Westen getan hat? Oder hat investigativer Journalismus auch ohne digitale Infrastruktur eine Zukunft?

In jedem Fall verdienen die teilnehmenden Zeitungen Respekt dafür, dass sie das Wagnis Openleaks eingehen und sich dem Konkurrenzkampf stellen. Es wird äußerst spannend sein zu sehen, mit welchem Erfolg sie sich an der “digitalen Babyklappe” beteiligen.


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